Die Stadt scheint voll von ihnen zu sein. Großen, dünnen, extrem dünnen- Mädchen und Frauen. Wo ich auch gehe, überall laufen sie an mir vorbei, neben mir, hinter mir, auf der Straßenseite gegenüber. Aus dem Rock des Mantels oder der Jacke schauen sie hervor: Zwei Stelzen, mit engem Jeansstoff bezogen. Früher fiel mir sowas selten auf. Ich sah nicht die Frauen, die vor der Bushaltestelle auf und ab gingen und an einer Karotte knabberten, die Tüte mit den Einkäufen in der anderen Hand. Einkäufe, die das konnte man schon erahnen, aus Chips, Süßigkeiten und anderen ganz- „ungemüsigen “ Sachen bestanden. Ich dachte nicht: Jetzt isst die die Karotte als Marker. Und zuhause die anderen Sachen- vorwärts und rückwärts. Vielleicht ist das nur eine haltlose Unterstellung. Vielleicht projiziere ich nur mein abnormes Verhalten auf andere, die einfach nur eine Karotte an der Haltestelle essen. Tatsache ist aber, plötzlich fallen sie einem viel mehr und überall auf.
Andere Esssgestörte.
Und sofort fangen die Vergleiche an. Sehe ich dürre Beine, stelle ich einen Vegleich mit den meinen an. Sind sie dünner, genauso dünn, weniger dünn? Dünn sind sie, das weiß ich. Aber trotzdem kann ich es nicht lassen, dieses Vergleichen und mich- tritt meiner Ansicht nach der letzte Fall ein- schlecht zu fühlen. Wenn auch nur kurz dieses Gedanke durch meinen Kopf zuckt ( dann ärgere ich mich darüber, dass ich überhaupt solche sinnlosen Vergleiche anstelle), aber dieses Gefühl, das lässt sich nicht so leicht abschütteln. Dieses Gefühl, in einem meiner Spezialgebiete übertrumpft worden zu sein. Viel mehr noch, dieses Gefühl, etwas was ich hätte tun sollen, NICHT getan zu haben. Dieses diffuse, (wenn auch nicht sonderlich lang anhaltende) Schuld- und Versagensgefühl. Für das ich mich im selben Augeblick gleich wieder schäme.
Denn ich will ja nicht weiter abnehmen. Ich will nicht noch dürrerer Beine bekommen. Mir passen jetzt schon kaum noch irgendwelche Hosen. Die Besitzerinnen dieser Beine sehen oft schon auf den ersten Blick nicht gesund aus- im Gesicht, von ihrer ganzen Erscheinung. Aber dennoch…im ersten Moment ist es wieder da. Dieses Gefühl.